Ein Semester in Wien: wie war es?

6. 3. 2025 Adéla Skládaná

Ganz gut, danke schön! 10 von 10, würde gerne wieder hingehen. Okay, jetzt ernsthaft: wo und wie habe ich mein Auslandssemester verbracht, was habe ich dadurch gelernt und welche Empfehlungen hätte ich für mein Vor-Aufenthalts-Ich?

In dem Wintersemester 2024/25 (also von Oktober 2024 bis Januar 2025) hatte ich durch das Projekt CEEPUS *e-Bologna* (Network for Translation Studies and Transcultural Communication Programmes in Central, Eastern and South-Eastern Europe) die Möglichkeit, am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien (ZTW) zu studieren und das Leben in Wien zu erfahren.

Die erste Überraschung für mich war, dass das Studienfach Translation Deutsch Tschechisch am ZTW von relativ wenigen Leuten studiert wird. Das hat aber einen wichtigen Vorteil – die Lehrenden können sich den Studierenden individueller widmen als bei großen Gruppen. Wenn es eine kleine Klasse gibt, ist es schaffbar, die Übersetzung oder das Dolmetschen von jedem zu diskutieren und ihm detailliertes Feedback zu geben. Das hat mir, glaube ich, geholfen, meine Deutschkenntnisse und übersetzerische Fähigkeiten in dieser kurzen Zeit deutlich zu verbessern. Weiter habe ich auch meine Recherchekompetenz vertieft, denn wir haben uns verschiedenen Themen gewidmet, die in manchen Fällen ganz neu für mich waren und ich habe über sie vorher gar nichts gewusst, beispielsweise der Fischerei in der Tschechischen Republik oder der Wirtschaftskammer Österreich.

Die zweite Überraschung war die praktische Orientierung des Unterrichts und die Arbeit mit der künstlichen Intelligenz. Das gilt nicht für alle Kurse im Allgemeinen, in einigen war der Einsatz von KI verboten, doch in anderen habe ich sehr viel über die KI, ihre Anwendungsmöglichkeiten sowie Gefahren gelernt und sie in Übungen und beim Schreibprozess eingesetzt. Obwohl sie keine universelle Lösung für alle Probleme bietet, erkenne ich jetzt besser, in welchen Situationen sie hilfreich sein kann.

Die dritte Überraschung war das Projektbasierte Lernen, die ich in dem Kurs Text und Kommunikation schriftlich und mündlich erlebt habe. Wir haben an zwei Hauptprojekten gearbeitet, die durch das Thema der barrierefreien Kommunikation verbunden waren. Das eine Projekt beinhaltete eine dolmetschte Eröffnung der Plakatausstellung zum 17. November, wo auch wir als Studierende persönliche Erfahrungen aus unseren Familien geteilt haben, dann einen Workshop über die Leichte Sprache und am Abend die Veranstaltung Barrierefrei studieren mit Sehbehinderung an der Botschaft der Tschechischen Republik in Wien, die wir gedolmetscht haben. Bei dem anderen Projekt handelte es sich um Gerichtsdolmetschen und Rechtsübersetzen, dessen Teil ein Besuch des Landesgerichts für Strafsachen Wien und eine Vorlesung über das Rechtsübersetzen in Österreich war. Die beiden Projekte verliefen in Zusammenarbeit mit anderen Universitäten (Ostrava, Banská Bystrica), wir haben also auch weitere Perspektiven an das Studium der Translatologie bekommen.

Die Liste der Überraschungen endet hier nicht, die anderen hatten jedoch mit dem Studium nichts zu tun. Es waren Kleinigkeiten, die von der Anwesenheit der Bienenstöcke auf den Friedhöfen bis zu Abwesenheit der Uhr in öffentlichen Verkehrsmitteln reichten. Die kulturellen Unterschiede sind nicht groß, umso spannender ist es, sie zu beobachten.

Das bringt mich zu meinen Empfehlungen für mein Vor-Aufenthalts-Ich: vergesse nicht, deine Erlebnisse zu dokumentieren. Fotos machen, Eintrittskarten sammeln, sich kurze Notizen machen – alles zählt. Im Rückblick wirst du dich darüber freuen, weil du sehen wirst, dass du in der Tat sehr viel geschafft hast und deine Zeit im Ausland war nicht umsonst.

Wichtig zu sagen ist, dass ein Studienaufenthalt kein Wettbewerb ist. Selbstverständlich gibt es Bedingungen, die du erfüllen musst, keine Regeln sagen jedoch, was in Wien ein „must-see“ ist. Ich hatte nach dem ersten Monat das Gefühl, dass ich einfach gescheitert habe, weil ich nicht alles von meiner imaginären Liste gemacht habe – man muss aber bedenken, dass es immerhin ein Studienaufenthalt ist, und kein Abenteuerurlaub.

Beginne mit den Vorbereitungen rechtzeitig. Die Wohnungen in Wien sind schwer zu finden und die Studentenwohnheime werden schnell ausgebucht; der Prozess der Immatrikulation kann länger dauern, als du denkst; und dass ist natürlich nicht alles, was zu erledigen ist.

Habe keine Angst, Fragen zu stellen! (Oder überwinde deine Faulheit…) Ein Beispiel für alle: meine Mitbewohnerin wusste nach fünf Monaten noch immer nicht, wie die Jalousien in ihrem Zimmer funktionieren, obwohl sie das Licht offensichtlich gestört hatte. Ich hätte ihr gerne damit geholfen, leider wusste ich von diesem Problem nicht, weil sie zu mir kein Wort gesagt hatte. Warum, weiß ich nicht.

Jedenfalls bin ich dankbar, ein Semester in Wien absolviert zu haben. Einen Fortschritt habe ich nämlich nicht nur im akademischen Sinne gemacht, sondern auch auf persönlicher Ebene. Die ganze Erfahrung war überwiegend positiv, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie auch für meine Zukunft viel beitragen wird.


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