Interview mit unserem DAAD-Lektor Berthold Linder
Berthold Linder stimmte einem Interview zu, in dem er zu seinem Leben, Studium und DAAD-Lektoraten in anderen Ländern gefragt wurde. Außerdem spricht er über sein Tschechisch, was er an Tschechien und Brünn mag und welche Bücher er zum Lesen für Studierende empfehlen würde. Es fehlen nicht die Tipps für das Deutschlernen.
Woher kommen Sie und was haben Sie studiert?
Ich komme ursprünglich aus der Nähe des Bodensees, aus der Stadt Ravensburg. Nach dem Abitur habe ich in Freiburg Germanistik und Romanistik studiert.
Warum sind Sie jetzt in Tschechien und warum in Brünn?
Ich war schon mehrere Male DAAD-Lektor, in Russland, Georgien und Frankreich, und wollte nochmals ins Ausland gehen. Ich habe mich ein bisschen erkundigt, mit aktuellen DAAD-Lektoren aus verschiedenen Städten gesprochen. Und was mir mein Vorgänger Johannes Köck erzählte, klang am besten. Dann habe ich mich für Brünn geworben. Beim DAAD kann man drei Prioritäten angeben, Brünn war meine erste Priorität, die zweite war Belgrad und die dritte Iași in Rumänien.
Sind Sie froh, dass Sie in Tschechien sind?
Ja, es freut mich, dass ich die Stelle bekommen habe. Ich bereue es nicht. Tschechien kannte ich schon ein bisschen und mir gefällt es sehr gut hier.
Was gefällt Ihnen an Tschechien? Was war besonders, als Sie zum ersten Mal hier waren oder was hat Sie überrascht?
Zum allerersten Mal war ich in Tschechien noch mit meinen Eltern, das war noch vor der Wende. Daran habe ich aber wenig Erinnerung. Dann war ich als Student auch mal in Prag und bin bei einer Osteuropareise durch Brünn gekommen, vor ungefähr 15 Jahren. Dann kam ich immer wieder nach Tschechien, weil es nicht weit ist und mir das Land gefällt.
Was überrascht Sie noch zum Beispiel an Tschechen, wie sie sich verhalten?
Was mir an den Tschechen sehr gut gefällt ist, dass sie ein sehr gemütliches Volk sind. Nicht besonders laut oder hektisch, sondern ruhig und entspannt. Sie machen auf mich einen sehr zufriedenen Eindruck. An der tschechischen Kultur gefällt mir natürlich auch das gute Bier. Ich bin ein Biertrinker und auch die Kneipen gefallen mir – die traditionellen „pivnice“. Und auch die tschechische Küche, z.B. „svíčková“ oder „koleno“. Das esse ich gern, ich weiß, dass es nicht super gesund ist, aber mir schmeckt es. Mir gefallen auch diese kleinen Sachen, wie in Spanien „tapas“, die man in der Kneipe zum Bier bekommt. Zum Teil sind das so Kugeln, manchmal Brötchen. Die Sprache gefällt mir auch.
Lernen Sie Tschechisch in einem Kurs?
Ja, ich habe im Herbst im Sprachenzentrum der Masaryk-Universität einen Kurs begonnen. Aber manchmal hatte ich keine Zeit dazu, weil ich viel zu tun hatte mit Vorbereitungen für alle neuen Kurse, die ich unterrichtete. Noch in Berlin habe ich einen Anfängerkurs an der Volkshochschule gemacht – das war mein erster Kontakt mit der tschechischen Sprache. Ich habe den Vorteil, dass ich Russisch spreche, weil ich dann ein paar Sachen verstanden habe – es gibt Ähnlichkeiten und das hilft sehr.
Was ist für Sie schwer an der tschechischen Sprache?
Ich denke, dass ich bei Präpositionen Schwierigkeiten habe. Ob ich „k“, „na“ oder „z“ verwende. Dann das Deklinieren fiel mir schon im Russischen schwer - vor allem die Wortendungen. Ich denke, dass es für uns Deutsche schon schwierig ist, immer richtig zu deklinieren.
Helfen Ihnen zum Beispiel die Germanismen, also Wörter, die aus dem Deutschen kommen, die es im Tschechischen gibt?
Das habe ich noch nicht so stark bemerkt. Was zum Beispiel?
Es sind vor allem Wörter, die nicht standardsprachlich sind. Zum Beispiel „mít ruku v gypsu“ bedeutet „die Hand im Gips haben“. Oder „cálovat“ kommt von „zahlen“.
Ah, okay. Das würde mir natürlich helfen und es gefällt mir. Es ist immer lustig, so etwas zu sehen. Im Russischen gibt es auch manchmal solche Wörter, die aus dem Deutschen kommen. Es hilft dann beim Verständnis.
Probieren Sie, Tschechisch zu sprechen, wenn Sie zum Beispiel in eine Kneipe gehen?
Ja, ich versuche so weit wie möglich zu kommen, aber wenn ich nicht mehr weiterkann, muss ich auf Englisch wechseln. Ich starte aber erstmal mit Tschechisch.
Gefällt Ihnen die Stadt?
Ja, mir gefällt vor allem dieses Viertel hier (Veveří). Ich denke, manche Touristen entdecken es nicht, weil man noch ein Stück weiter von der Česká-Straße gehen muss. Die Fakultät gefällt mir und ich wohne auch in der Nähe, am Konečného náměstí, also nur eine Straßenbahnhaltestelle entfernt. Mir gefällt, dass wir hier in der Stadtmitte sind und ich finde auch den Hof zwischen Gebäude G und J sehr schön, wo wir das Grillfest hatten.
Wenn ich jetzt Brünn mit Berlin vergleiche, ist dann Brünn nicht zu klein? Berlin ist circa zehnmal so groß…
Nee, ich finde es nicht zu klein. Mir gefallen mittelgroße Städte. Als ich im Ausland war, war ich immer in nicht so großen Städten. In Russland in Archangelsk, das auch circa 300.000 Einwohner hat. In Georgien war ich auch in der drittgrößten Stadt. Es gefällt mir besser, weil die Hauptstädte immer sehr voll mit Touristen und anderen Ausländern sind. In den nicht so großen Städten kann man besser die Kultur des Landes kennenlernen und man kommt auch schneller in Kontakt mit Leuten. Es ist auch angenehmer, wenn man nicht eine Stunde lang mit der U-Bahn zur Arbeit fahren muss. Hier in Brünn kann man eigentlich alles zu Fuß machen und das gefällt mir.
Jetzt kommen wir zum Teil mit Deutsch… warum lehren sie gerade Deutsch?
Es hat mit meinem Studium zu tun. Schon während des Studiums hatte ich den Plan, später Deutschlehrer zu werden, wobei ich es noch nicht sicher wusste. Dann unterrichtete ich mal an einem Gymnasium, aber ich habe bemerkt, dass es mich mehr interessiert, im Ausland zu unterrichten und an Hochschulen mit Studierenden zu arbeiten. Deswegen habe ich mich beim DAAD beworben. Es hat mir sehr gut gefallen und deshalb bin ich schon im vierten Lektorat.
Planen Sie dann nach Tschechien noch ein Lektorat woanders?
Da bin ich nicht mehr sicher, ich denke nicht, dass ich es bis zur Rente machen werde, obwohl es sehr schön ist. Irgendwann werde ich in Deutschland leben und arbeiten.
Hier bleiben sie jetzt zwei Jahre oder länger?
Bei DAAD-Lektoraten sind das immer mindestens zwei Jahre. Aber man kann verlängern, einen Antrag stellen, und wenn DAAD und Uni einverstanden sind, dann maximal fünf Jahre.
Glauben Sie, dass Deutsch eine wichtige Sprache ist, vor allem hier in Europa? Warum sollten die Schüler in Tschechien Ihrer Meinung nach Deutsch lernen?
Ich glaube, für die tschechischen Schüler in Brünn macht es Sinn aufgrund der Nähe zu Österreich, zu Wien. Aber auch mit den Nachbarländern Österreich und Deutschland im Kontakt zu sein, und wenn man dort hinreist, mit Menschen kommunizieren zu können. Man kann auch später in Deutschland studieren oder arbeiten, oder in Tschechien in einer Firma arbeiten, wo Deutsch benötigt wird. Es gibt viele Möglichkeiten, wenn man nicht nur Englisch kann - es ist ein Vorteil, Deutsch zu können.
Meinen Sie, dass Deutsch für Ausländer schwer ist?
Es kommt vielleicht auch auf die Muttersprache an. Ich denke, für die tschechischen Schüler gibt es eigene Besonderheiten und Schwierigkeiten – im Tschechischen verwendet man keine Artikel und das ist dann sicher neu und nicht so einfach.
Wir haben Artikel, aber wir verwenden sie nicht so oft im Satz... und meistens sind die Artikel anders als im Deutschen… zum Beispiel im Tschechischen „das Sonne“, aber im Deutschen „die Sonne“.
Ja, genau. Zu wissen, ob es der, die oder das ist, ist nicht so einfach. Dann auch die Deklination – wobei auch slawische Sprachen schwierig sind, was die Deklination und Wortendungen angeht. Auch zum Teil die Verbkonjugation. Deutsch ist nicht die einfachste Sprache, aber ich denke, es gibt viele Leute, die das sehr gut lernen und Freude daran haben.
Haben Sie irgendwelche Tipps, wie man gut Deutsch lernen kann?
Das Beste ist immer, wenn man spricht und wenn man jemanden hat, mit dem man sprechen kann. Das ist in Brünn nicht so einfach, es gibt nicht so viele Muttersprachler, man müsste vielleicht ein Tandem mit deutschen Erasmus-Studenten machen. Es gibt online Möglichkeiten, mit Muttersprachlern über soziale Netzwerke oder über Videotelefonate zu kommunizieren, falls man dort Freunde hat. Ansonsten ist Wien nicht weit. Wenn man da manchmal hinfahren kann, ist das toll – direkt Deutsch anwenden und ausprobieren. Ansonsten kann man selbst so viel wie möglich Deutsch hören - deutsche Serien und Filme anschauen, kurze Nachrichten oder die „Tagesschau in 100 Sekunden“, wenn man wenig Zeit hat. Manche Menschen haben den Zugang zur Sprache über Musik gefunden. Manchmal ist das auch der Grund, warum Schüler bestimmte Sprachen lernen oder Interesse für ein Land haben – es liegt daran, dass sie eine bestimmte Musikgruppe mögen. Lesen ist auch wichtig, vor allem, um den eigenen Wortschatz zu vergrößern und damit man auch korrekt schreiben kann. Man kann bestimmte Texte deutscher Literatur oder Zeitungsartikel lesen.
Ich habe gesehen, Sie organisieren Filmabende, alle zwei Wochen…
Ja, genau, ich bin selbst ein großer Filmfan. Ich habe schon in anderen Ländern solche Filmabende oder Filmclubs gemacht in unterschiedlichen Formaten. Das war manchmal auch in großen Bibliotheken der Stadt, sowas wie die MZK hier, wo dann Leute aus der ganzen Stadt kommen konnten. Hier in Brünn wollte ich es zuerst im Kino Scala machen, das klappte leider nicht. Jetzt mache ich es an unserer Fakultät, alle zwei Wochen. Ich zeige einen deutschen Film mit tschechischen Untertiteln, sodass jeder kommen kann - vielleicht auch Leute, die kein Deutsch können - es ist offen für alle. Ich habe aktuelle deutsche Filme aus den letzten zwei oder drei Jahren ausgewählt, die viele noch nicht kennen. Sie zeigen auch aktuelle Themen aus Deutschland, die man diskutieren kann. Ab September werde ich sogar jeden Dienstag einen deutschen Film zeigen.
Haben Sie auch irgendwelche Tipps für Bücher? Welche Bücher aus der aktuellen deutschen Literatur?
Wenn man nicht so viel Zeit hat und sprachlich nicht so schwierige Texte lesen will, würde ich neuere deutsche Literatur empfehlen. Zum Beispiel habe ich ein paar Mal mit Tschick von Wolfgang Herrndorf gearbeitet. Es ist ein sehr populäres und erfolgreiches Buch in Deutschland. Ich mochte das Buch selbst und auch den Autor, der leider schon gestorben ist. Zu empfehlen ist auch andere jüngere deutsche Literatur, z.B. der Autor Leif Randt und sein Allegro Pastell. Für jemand, der ganz wenig Deutsch kann, gibt es DaF-Lektüren, von Verlagen wie Hueber, die didaktisiert sind, speziell für ein niedrigeres Niveau. Man kann ein Buch lesen, auch wenn man nur A1-Niveau hat. Ansonsten sind meine Lieblingsautoren Christian Kracht oder Jörg Fauser, auch Eckhard Henscheid und Ror Wolf.
Gut! Ich danke Ihnen für das Interview!