Jenseits der Vorlesungen: Universitätslektoren erzählen von ihrer Studienzeit - Interview

1. 10. 2023

Wir haben mit unseren Universitätslektoren gesprochen, die uns von ihrem damaligen Leben während des Studiums an der Uni erzählt haben. Mehr als auf das Studium selbst konzentrierten wir uns darauf, wie die Freizeit daneben verbracht wurde. Ein angenehmes Interview verdanken wir unseren Gästen: der österreichischen Lektorin Susanne Steinbichl und dem deutschen Lektor Berthold Linder.

Wo und was haben Sie studiert?

Susanne Steinbichl: „Ich habe in Salzburg Geschichte auf Lehramt studiert und habe dann noch eine Ausbildung gemacht für Deutsch als Fremdsprache. Aktuell bin ich noch aktive Studentin in Salzburg für Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaften.“

Berthold Linder: „Ich habe in Freiburg Deutsch und Französisch auf Lehramt studiert.“

Und lehren Sie auch Französisch?

Berthold Linder: „Ja, ich habe an einem Gymnasium in Deutschland Deutsch und Französisch unterrichtet. Das ist aber schon eine Weile her und später bin ich immer ins Ausland gegangen.“

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr Studium?

Susanne Steinbichl: „Also bei uns in Salzburg war es sehr klein und familiär, die Professoren kannten unsere Namen und man hatte schnell eine Gruppe an Freunden, die einen das ganze Studium begleitet hat. Wir waren eine „Mädchen-Gruppe“, die mittlerweile auch auf der ganzen Welt verstreut ist. Geschichte war ein Massenstudium, daran kann ich mich gut erinnern. Am ersten Studientag wurde uns gesagt, dass wir mit dem Geschichtestudium keinen Job finden werden, da es zu überlaufen war. Das war sehr demotivierend, aber sie hatten recht.“

Und welche Erinnerungen haben Sie?

Berthold Linder: „Sehr schöne habe ich an das Studentenleben. Bei uns war es vielleicht anonymer als bei Susanne, es gab schon viele Studenten in Freiburg, die Stadt ist nicht so groß, aber es gibt viele Studenten, die Uni ist recht groß und Deutsch und Französisch studieren viele, also war es nicht so familiär, aber das war nicht schlimm. Ich weiß nicht, ob Sie die Stadt kennen. Es ist eine grüne Stadt mit vielen Fahrrädern und viel Sonne.“

Haben Sie viel Freizeit gehabt?

Berthold Linder: „Ich glaube, wir hatten damals mehr Freizeit als die Studenten heute. Ich glaube, das Bachelor- und Masterstudium ist stressiger und kürzer. Und wir durften damals eigentlich so lange studieren, wie wir wollten. Ein Freund von mir hat zwanzig Semester studiert. Man konnte auch seine Kurse wählen, wie man wollte. Man konnte zum Beispiel im Sommersemester zwei bis drei Kurse machen oder so und dann im Winter ein bisschen mehr. Ich würde also sagen, dass wir vermutlich mehr Freizeit hatten, auch zum Lesen, als die Studenten heute.“

Ja, das ist so.

Susanne Steinbichl: „Ich habe sechs Jahre studiert. Das war eigentlich länger als laut Diplomstudium (neun Semester) vorgesehen. Da ich ein Auslandssemester gemacht und nebenbei ein bisschen gejobbt habe, dauerte es ein bisschen länger als geplant. Aber ich habe meine Studienzeit auch sehr genossen. Als Student hat meine eine Freiheit, die man besonders nach Abschluss des Studiums zu schätzen lernt.“

Und was haben Sie als Job gemacht?

Susanne Steinbichl: „Ich habe am Weihnachtsmarkt in Salzburg im Einkaufszentrum gearbeitet und nebenbei Deutsch unterrichtet. Parallel dazu habe ich weniger intensiv meine Diplomarbeit geschrieben, die praktische Arbeit hat mir einfach mehr Spaß gemacht. Man verdient das erste Geld und gibt es viel zu schnell wieder aus.“

Und das haben Sie gleichzeitig mit der Uni gemacht?

Susanne Steinbichl: „Ja, also es war zum Teil ein Praktikum, das ich für meine Deutsch als Fremdsprache- Ausbildung absolvieren musste und dann habe ich noch weitergemacht, weil es eine schöne Arbeit war.“

Wie konnten die Studenten ihre Freizeit verbringen? Welche Möglichkeiten gab es? Was haben Sie als Studierende in der Freizeit gemacht?

Susanne Steinbichl: Also Salzburg ist eine sehr grüne und fahrradfreundliche Stadt und es gibt sehr viel Natur und Berge (die Alpen) und von der Stadt aus kann man wandern gehen oder Fahrrad fahren. Wenn man klassische Musik mag oder Theater, dann gibt es dort auch viel Angebot. Im Winter gibt es viele Weihnachtsmärkte, man kann schnell in Deutschland sein, weil München nicht weit weg ist. Man kann im Herbst zum Oktoberfest fahren. Es gibt auch Kinos, in denen es Angebote für Studenten gab, das habe ich selbst viel genutzt. Ich habe auch sehr viel mit meinen Mitbewohnerinnen gemacht. Wir waren dann eigentlich am Wochenende unterwegs, feiern in den Bars, davon gibt es natürlich auch sehr viel. Salzburg ist sehr berühmt für Veranstaltungen von „Red Bull“, Musik- und Sportveranstaltungen. Salzburg ist aber keine typische Studentenstadt, es ist sehr klassisch und touristisch, im Vergleich zu Freiburg eher teuer.

Berthold Linder: Wie es heute beim Studentenleben ist, weiß ich nicht, aber bei mir war es auch ein bisschen so, dass man schon oft ins Kino gegangen ist, weil es damals kein Netflix gab und diese ganzen Sachen. Also eigentlich musste man für einen Film ins Kino gehen. Es gab Studenten-Kinos zu reduzierten Preisen oder auch kostenlos. Ich bin selbst weniger aus Freiburg weggefahren, muss ich sagen. Manche haben das vielleicht gemacht, ein bisschen zum Skifahren, was man im Schwarzwald oder auch in Frankreich machen kann, das nicht weit ist. Ich habe ein bisschen Fußball gespielt mit Freunden, manchmal war ich auch in so einer Hochschulliga oder „Bunten Liga“. Die Mannschaften hatten ganz seltsame Namen, ich glaube, wir waren „Torpedo“ oder so etwas Kommunistisches. Das Nachtleben und die Studenten-Partys waren damals auch sehr viel, das begann Mittwochabend eigentlich schon. Vielleicht kann man auch sagen, dass früher mehr gefeiert wurde als heute. Man musste nicht so viel für das Studium machen. Freitags war eigentlich gar keine Uni, und vielleicht war das Nachtleben auch nicht so teuer wie heute.

Susanne Steinbichl: Aber man ist auch nicht so oft nach Hause gefahren. Ich habe das Gefühl, hier fahren viele am Donnerstag nach den Kursen nach Hause und bei mir war es teilweise eher so „oh, ich muss jetzt schon wieder nach Hause fahren“, weil es eigentlich ganz schön war, mal in der Stadt zu bleiben und einfach mit Freunden das Wochenende zu verbringen.

Berthold Linder: Das stimmt. Das haben ganz wenige gemacht, am Wochenende regelmäßig nach Hause zu fahren. Manche vielleicht nicht, weil es sehr weit war, aber für manche auch, so wie ich, war es nicht besonders weit, aber ich bin trotzdem nicht nach Hause gefahren. Ich denke, dass wenige nach Hause gefahren sind, weil sie vielleicht Arbeit am Wochenende hatten und das geht natürlich in den großen Städten viel besser als in kleinen Städten, aus denen fast alle kamen. Ich würde sagen, 90% der Studenten kamen aus kleinen Städten, wo sie schon zur Schule gegangen sind und wo sie nicht mehr leben wollten.

Sie unterrichten einen Kurs über den deutschen Film hier an der MUNI. Interessieren Sie sich schon seit Ihrer Studienzeit für Film?

Berthold Linder: Ja, schon seit dem Studium. Ich habe auch mal als Kameramann gearbeitet und habe auch eigene Kurzfilme gemacht, die ich Ihnen aber nicht zeigen möchte…

Susanne Steinbichl: Hast du in einem Film gespielt?

Berthold Linder: Ja, in meinen eigenen und in anderen, aber die sind irgendwo, zum Glück nicht im Internet. Aber ich bin ein sehr schlechter Schauspieler und es war besser, dass ich nicht zu oft im Bild war, glaube ich.

Und wie wurden Sie zum Kameramann? Auch durch die Uni?

Berthold Linder: Ja, da gab es mal einen Kurs an der Uni. Ich hatte schon vorher Interesse an Film und es gab einen Wahlkurs „Vom Drehbuch zum Film“ oder so ähnlich. Das war sehr praxisorientiert. Jeder Student hat eine Kamera bekommen und dann sind wir los in die Stadt und haben mit dem Stativ begonnen. Man hat uns ein bisschen erklärt, wie man ein Stativ aufbaut, wie man die Kamera auf das Stativ macht und so weiter, und dann begannen wir eigentlich. Und dann bin ich geblieben, weil der Seminarleiter eine Produktionsgesellschaft hatte, die Bildungsfilme gemacht hat, kleine Reportagen über die Uniklinik oder so. Also es waren keine Spielfilme, es waren eine Art Doku. Es war nicht immer besonders interessant, aber man hat viel gelernt.

Jetzt, da Sie Lektoren sind, wie verbringen Sie ihre Zeit?

Berthold Linder: Ich muss sagen, dass ich momentan nicht so viel Freizeit habe. Ich bin sehr beschäftigt mit der Vorbereitung der Kurse. Wegen des schlechten Wetters momentan habe ich noch nicht so viel gemacht. Ich bin oft zu Hause, manchmal in einer Kneipe am Abend, ein paar Mal war ich beim Stammtisch. Ich habe leider noch nicht so viel von Brünn und Tschechien gesehen. Ich hoffe, dass, wenn das Wetter besser wird und ich mehr Zeit habe, dann etwas sehen kann. Naja, die Burg habe ich einmal gesehen. Ich war auch in Prag bei einem Seminar. Im Knochenhaus war ich auch.

Susanne Steinbichl: Ich war einmal in Olmütz, ich habe einen Ausflug gemacht. Ich war in Mikulov wandern. Ja, das war spannend! Und es war auch ein schöner Tag im November. Dann war ich in Brünn schon relativ viel unterwegs, weil ich Freunde habe, die hier schon länger leben und die mich dann ins Museum mitgenommen haben. Die Faith Gallery war schön! Dann die Moravská-Gallery und ich bin auch ab und zu in der Philharmonie, einmal war ich bei einem Ballett und im Kino Scala und im Kino Art. Ich gehe da gern hin, weil es fremdsprachige Filme gibt, also manchmal zeigen sie auch französische Filme oder auch deutsche Filme. Hmmm, und ich gehe auch gerne ins „Vegalité” essen. Wenn es Mittagspause ist, dann versuche ich immer Berthold und Louisa zu überzeugen, mit mir ins „Vegalité“ zu gehen. Ich mache auch einen Tschechischkurs im Sprachenzentrum an der MUNI, der Spaß macht.

Haben Sie Unterschiede zwischen Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik bemerkt?

Susanne Steinbichl: In Salzburg gab es eine ÖH (Österreichische Hochschülerschaft), das ist eine Studentenorganisation, die Veranstaltungen wie Stammtische, Weihnachtsfeiern usw. organisiert hat. Damals waren die Studenten selbst sehr aktiv und haben für Studenten Feste organisiert. Das könnte man sich vielleicht in Zukunft auch an der MUNI vorstellen.

Natürlich haben jede Epoche und jedes Land ihre eigenen Besonderheiten und entwickeln sich unterschiedlich. Das gilt auch für das Studium an der Universität. Aber in jeder Epoche und in jedem Land ist es ein wesentlicher Bestandteil des Studiums, Zeit in Gemeinschaften zu verbringen und Erfahrungen mit anderen zu teilen, wie auch unsere Lektoren in den Interviews betonten. Vielen Dank für Ihre Zeit und für die Gelegenheit, uns einen Einblick in Ihre Studienzeit zu geben.


All articles

More info